
Signavio wurde 2021 von SAP gekauft. Die Walldorfer haben es sich einiges kosten lassen, um die Lösungen des Potsdamer Unternehmens in das eigene Portfolio integrieren zu können. Die Rede ist von knapp einer Milliarde Euro.
Das Ziel der Übernahme: eine führende Suite zur Unterstützung von Geschäftsprozesstransformationen. Tatsächlich kommt die Software mittlerweile vor allem bei S/4HANA-Transformationen zum Einsatz.
Welche Einsatzszenarien es grundlegend gibt, wie die Software in der SAP-Welt funktioniert und was es darüber hinaus zu wissen gilt, erfährst du in diesem Artikel.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Mithilfe von SAP Signavio können Geschäftsprozesse analysiert, bewertet, optimiert und transformiert werden.
- Die Suite kommt vor allem bei SAP S/4HANA-Transformationsprojekten zum Einsatz. Daneben eignet sich die Software unter anderem für das Risikomanagement, zur Modellierung von Carbon-Footprint-Prozessen und für die generell Business Process Transformation.
- Alternativen zu SAP Signavio sind unter anderem ARIS, Celonis und Workfellow.
Was ist SAP Signavio?
Signavio gehört seit 2021 zur SAP. Davor war es ein eigenständiges Unternehmen für Prozessmodellierung mit Sitz in Potsdam. Heute ist SAP Signavio ein zentraler Baustein der SAP-Strategie für Business Process Intelligence. Die Suite unterstützt Unternehmen weltweit dabei, einen Überblick über ihre Geschäftsprozesse zu erhalten. Darüber hinaus können sie mit ihr Abläufe bewerten, verbessern und sie auf mehr Effizienz trimmen.
In unseren Kundenprojekten setzen wir Signavio vor allem bei der SAP S/4HANA-Transformation ein. Doch die Software kann weitaus mehr. Schauen wir uns die zentralen Bausteine einmal genauer an.
Welche Kernkomponenten bietet SAP Signavio?
Um in einem Marktumfeld mit fragilen Lieferketten, strengen Umweltregularien und zunehmender Automatisierung erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen ihre Prozesse flexibel anpassen. SAP Signavio bietet für diese Prozessoptimierung drei Kernbestandteile :
- Process Mining
- Process Modelling
- Process Governance and Process Automated Execution

Quelle: Signavio
Process Mining
Beim Process Mining werden mithilfe von Signavio Process Insights und SAP Signavio Process Intelligence bestehende Prozesse lückenlos erfasst. SAP Signavio legt sich dafür wie ein Netz über die Geschäftsabläufe und greift auf verschiedene Datenquellen aus ERP-, CRM- und weiteren Drittsoftwaresystemen zu. So erfasst SAP Signavio permanent reale Prozessdaten – sogenannte Event Logs beziehungsweise Ereignisprotokolle.
Die gesammelten Daten werden für die Prozessvisualisierung in einem Dashboard als Kennzahlen und KPIs zusammengefasst. Diese Übersicht ermöglicht einen objektiven Vergleich zwischen Ist- und Soll-Zustand einzelner Prozesse.
Process Modelling

Quelle: Signavio
Während Process Mining den Status-quo analysiert, blickt Process Modelling in die Zukunft. Denn Unternehmen können ihre Prozesslandschaft nicht nur erfassen, sondern auch simulieren. So können sie die Auswirkung von Änderungen vor der Implementierung besser abschätzen.
Dafür bietet die Software eine intuitive Drag-and-Drop-Oberfläche, die keine Programmierkenntnisse erfordert. Das ermöglicht das schnelle Anordnen von Prozessschritten, Gateways, Ereignissen und Rollen auf einer Zeichenfläche. SAP Signavio zeigt dabei Fehler in der Prozesslogik sofort an und schlägt Korrekturen nach dem BPMN (Business Process Model and Notation)-Vorgaben vor.
Process Governance and Process Automated Execution
Process Governance sorgt dafür, dass Prozesse klaren Regeln und Verantwortlichkeiten unterliegen: Sie definiert Prozess- und Risiko-Owner und löst Erinnerungen sowie Eskalationen bei Fristüberschreitungen aus. Diese Workflows und Freigabeketten lassen sich zugleich automatisieren, zum Beispiel für die Rechnungsprüfung oder Dokumentenfreigabe.
Wofür braucht es den SAP Signavio Process Collaboration Hub?
Alle Informationen aus den einzelnen Komponenten laufen im SAP Signavio Process Collaboration Hub zusammen. Hier lassen sich Prozessmodelle, Analysen, Statistiken und Kennzahlen an einem Ort gemeinsam nutzen, kommentieren und freigeben.
Die Plattform ermöglicht die kollaborative Erstellung, Prüfung und Freigabe von Prozessmodellen. Dabei werden Versionen verwaltet und Veränderungen nachvollziehbar dokumentiert. Zugleich fließen Kommentare und Feedback aus verschiedenen Teams direkt in die Modelle ein. Prozesse lassen sich zudem nicht nur intern, sondern auch mit externen Partnern und Kunden teilen und gemeinsam bearbeiten.
Wofür wird Signavio eingesetzt?
Viele Unternehmen setzen Signavio erstmals bei der SAP S/4HANA-Transformation ein – egal ob On-Premise oder in der Cloud. Dazu weiter unten mehr.
Daneben gibt es zahlreiche weitere Anwendungsfälle:
- Prozessoptimierung: Unternehmen können mit der Software Engpässe und ineffiziente Schleifen identifizieren. So lässt sich beispielsweise herausfinden, warum manche Support-Anfragen deutlich länger dauern als andere.
- Best-Practice-Transfer: Gut laufende Prozesse einer Abteilung oder einer Ländereinheit können mit SAP Signavio leicht mit anderen Bereichen verglichen und übertragen werden.
- Compliance und Risikomanagement: SAP Signavio hilft Unternehmen dabei, regulatorische Anforderungen systematisch zu erfüllen und Compliance-Verstöße proaktiv zu vermeiden. Dafür implementiert SAP Signavio automatisierte Kontrollmechanismen, die Prozessabweichungen in Echtzeit erkennen und Eskalationswege auslösen.
- Nachhaltigkeit: Prozesse lassen sich modellieren und deren Umweltauswirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette betrachten – von der Beschaffung über die Produktion bis zur Entsorgung.
Wie unterstützt SAP Signavio bei der S/4HANA-Transformation?
Die SAP S/4HANA-Transformation ist eines der häufigsten Einsatzszenarien für Signavio. Im Vordergrund steht dabei die Philosophie „erst verstehen, dann optimieren, dann migrieren“.
Was heißt das?
Signavio unterstützt Unternehmen dabei, ihre bestehende ERP-Landschaft zu analysieren Das Process Mining deckt dabei versteckte Prozessvarianten, Engpässe und ineffiziente Abläufe auf, die man bei einer manuellen Analyse oft übersieht. Dafür stehen über 1.000 vordefinierte SAP-spezifische KPIs bereit und ermöglichen präzise Benchmarks.
Im Anschluss werden mit der Fit-to-Standard-Analyse bestehende Prozesse mit den SAP S/4HANA Best Practices verglichen. Dabei kann der SAP Process Navigator zum Einsatz kommen.
Mithilfe des SAP Signavio Process Managers lassen sich dann die empfohlenen Prozesse auf die individuelle Situation anpassen. Das Tool bietet dafür unter anderem eine einfache Drag-and-Drop-Bedienung und hilfreiche Automatismen wie Echtzeit-Warnungen und die Positionierung von Elementen.
SAP Signavio ist daneben die zentrale Plattform für die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit während der Transformation. Alle Stakeholder – von Business-Experten bis IT-Spezialisten – können darüber an Prozessänderungen arbeiten und Feedback direkt in die Modelle einpflegen. Das übergreifende Ziel: Prozessexzellenz herstellen.
Auch im Nachgang der Transformation kann SAP Signavio eine große Hilfe sein: Als Prozessdokumentationssystem hält die Software alle unternommenen Schritte während der Migration fest. Diese lückenlose Aufzeichnung ist unter anderem bei Wirtschaftsprüfungen enorm wichtig.
RISE with SAP mit dem Signavio Starterpaket
Da SAP Signavio die Transformation maßgeblich unterstützen kann, ist die Software ein wichtiger Teil von RISE with SAP. Die Walldorfer unterstützen damit Unternehmen beim Umstieg auf die Cloud mit einer Reihe von Produkten, Tools und Services.
Das RISE with SAP Signavio Starterpaket umfasst:
- 3 Nutzer-Lizenzen für den SAP Signavio Process Manager
- 10 Nutzer-Lizenzen für den SAP Signavio Process Collaboration Hub
- 50 GB einmaliger Datenupload für Prozessanalysen in SAP Signavio Process Insights
Signavio wird im Rahmen von Transformationsprojekten stark rabattiert. Wir erleben es häufig, dass Kunden das Tool während der Migration vor allem für die Prozessdokumentation verwenden. Sobald das Projekt abgeschlossen ist, kündigen sie Signavio. Der simple Grund: zu teuer.
Welche Vorteile hat Signavio?
SAP Signavio bietet zweifellos starke Vorteile. Die wichtigsten sind in meinen Augen:
- Das SAP Signavio Process Collaboration Hub ist die „Single Source of Truth“ für alle Prozessmanagement-Aktivitäten im Unternehmen. Die Visualisierung stellt Informationstransparenz her und zeigt auf Basis von Daten Verbesserungen auf.
- Die automatische Erzeugung von BPMs ermöglicht eine sofortige Problembehebung und die schnelle Umsetzung von Anpassungen. Unternehmen können so schneller auf veränderte Marktgegebenheiten reagieren und Innovationen vorantreiben.
- Das Programm unterstützt in der Vorbereitung auf SAP S/4HANA und bei der Transformation. So lässt sich prüfen, welche Schritte unternommen wurden und wie die Lösung funktioniert.
- Die lückenlose Dokumentation von End-to-End-Prozessen ermöglicht es außerdem, aus Erfahrungen zu lernen und gut funktionierende Prozesse zu übertragen. Hinzu kommen branchenweite Best Practices über den SAP Process Navigator.
- Mithilfe von Process Governance und Process Automation lassen sich die Compliance-Risiken senken.
- SAP Signavio ist webbasiert und von jedem Browser aus zugänglich. Jeder Mitarbeiter kann jederzeit auf die Prozessumgebung zugreifen, unabhängig von Ort und Zeit und ohne Installation. Dadurch vereinfacht sich deren Interaktion untereinander.
Wie wird Signavio in SAP implementiert?
Die Signavio-Integration in SAP erfolgt über native APIs und vorkonfigurierte Konnektoren, die eine nahtlose Datenübertragung ermöglichen. Die Plug-and-Play-Funktionalität und die tiefe Integration in das SAP ERP ermöglichen es, innerhalb weniger Stunden erste Analyseergebnisse zu erhalten.
Wann sollten Unternehmen auf Jira und Confluence setzen?
In der Praxis sehen wir häufig ein Zusammenspiel aus Jira und Confluence. Das ist auch sinnvoll: Die Aufgabenmanagementsoftware Jira von Atlassian unterstützt Teams beim visuellen Management ihrer Arbeit, beispielsweise durch flexible Kanban-Boards und Vorlagen zur Aufgabenverfolgung. Confluence dient dagegen als zentraler Wissensspeicher.
Durch die enge Verknüpfung der beiden Software-Lösungen lassen sich Aufgaben in Jira direkt mit Inhalten auf Confluence verbinden. Das verbessert die Kollaboration und Projektdokumentation.
Gleichzeitig können die Lösungen auch mit SAP Signavio zusammenarbeiten. Beispielsweise lassen sich Signavio-Prozessdiagramme mit Jira-Issues verknüpfen und über einen Inline-Frame in Atlassian Confluence einbetten.
Um den SAP Signavio Process Collaboration Hub als iFrame einzubetten, müssen folgende Schritte unternommen werden:
- Im Setup-Bereich des Explorers „Sicherheitseinstellungen vornehmen“ öffnen.
- Im Abschnitt Domänenrichtlinien die vertrauenswürdigen Domänen hinzufügen.
- Die URL lautet: https://editor.signavio.com/p/hub/model/<model ID>?t=<workspace ID>, wobei die Parameter <model ID> und ?t=<workspace_id> auszufüllen sind.
- Um den Vollbildmodus zu aktivieren, muss der Wert „fullscreen“ zum „allow“-Attribut im iFrame-Element hinzugefügt werden.
Welche Alternativen gibt es zu SAP Signavio?

SAP kommuniziert keine konkreten Lizenzkosten für Signavio. Nur so viel steht fest: Preisgünstig ist die Suite nicht. Außerdem kann der breite Funktionsumfang schnell überfordern, sodass nicht alle Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden. Ein weiterer Nachteil sind Performanceprobleme, die insbesondere bei umfangreichen Process-Mining-Analysen mithilfe von SAP Signavio Process Insights auftreten können.
Aus diesen Gründen suchen viele Verantwortliche nach Alternativen für die Signavio-Suite. Die drei gängigsten sind ARIS, Celonis und Workfellow.
ARIS
ARIS steht für Architektur integrierter Informationssysteme. Der Name sagt es bereits: Es handelt sich um eine Software für das Business Process Management. Ähnlich wie SAP Signavio ermöglicht sie die Modellierung, Analyse, Optimierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen in Unternehmen. Die Software ist dabei vor allem für komplexe Transformationen und Prozesslandschaften geeignet.
Celonis
Celonis legt den Fokus auf Process Mining und der datenbasierten Prozessanalyse. Zielgruppe sind vor allem große Unternehmen mit komplexen Prozessen. Sie können mit der Software datengestützt und KI-basiert Schwachstellen identifizieren und eine Geschäftsprozess-Optimierung durchführen. Celonis setzt also weniger auf Kollaboration und Prozessmodellierung als die Signavio-Produkte.
Workfellow
Workfellow ist besonders geeignet für Unternehmen, die ohne großen Implementierungsaufwand und Datenintegration umfassende, KI-gestützte Einblicke in Aufgaben- und Prozessflüsse erhalten wollen. Im Unterschied zu SAP Signavio benötigt die Software keinen Zugang zu Ereignisprotokollen. Sie erzeugt diese selbst per Work API, wodurch sie weniger geeignet ist für komplexe Prozesse.
Zugleich deckt Workfellow weniger Bereiche des klassischen Geschäftsprozessmanagements ab. Die Lösung eignet sich daher vor allem für Unternehmen, die rudimentäre Process Intelligence ohne mühsames Data Mining gewinnen möchten.
Für wen eignet sich SAP Signavio?
Zum Abschluss stellt sich also die Frage, wer nun am meisten von den Signavio-Funktionen profitiert. In meinen Augen sind das vor allem Unternehmen, die sich in einer der drei folgenden Beschreibungen wiederfinden:
Stichwort: Compliance. Auch Unternehmen in stark reglementierten Bereichen wie Pharmazie oder Lebensmittelindustrie können vor allem von den bereitgestellten Automatisierungen profitieren.
Das Unternehmen befindet sich gerade in einem übergreifenden Transformationsprozess. Das kann die Einführung von SAP S/4HANA sein, aber auch andere Umstände wie die Einführung eines neuen Geschäftsmodells oder der Ankauf eines anderen Unternehmens. In diesen Fällen spielt SAP Signavio seine Stärken vor allem bei der Prozessdokumentation und -modellierung aus.
Das Unternehmen ist groß und international aktiv. SAP Signavio kann hier helfen, Transparenz in komplexen Prozessen zu schaffen und Best Practices sowie Expertise weltweit zu teilen. Auch Compliance-Anforderungen in verschiedenen Ländern lassen sich einfacher einhalten, wodurch der Unternehmenserfolg sichergestellt wird.



