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Warum SAP On-Premise? Vorteile, Herausforderungen und wer wirklich davon profitiert

Von Jeremia Girke
S/4HANA
21. Februar 2025

„Cloud first“ lautet seit einigen Jahren das Motto von SAP. Geht es nach der Softwareschmiede, sollen in Zukunft ein Großteil der Einnahmen über Software-as-a-Service (SaaS) kommen. Soll heißen: SAP hostet und wartet alle Produkte und stellt sie über das Internet bereit. Verkauft werden monatliche Abos, keine Produktlizenzen.

Allein: Die Kunden ziehen beim Strategiewechsel von SAP zum Cloud-Konzern nicht wirklich mit. Viele von ihnen setzen weiterhin auf eine lokale Installation und damit auf On-Premises anstelle von S/4HANA Cloud. Warum das so ist, welche Nachteile es haben kann und wie du dich für die richtige Technologie entscheidest, erfährst du in diesem Artikel.

Inhalt
    • Bei der On-Premise-Lösung befindet sich das gesamte ERP-System in der Hand des Unternehmens: vom Hosting über die Bereitstellung der Software bis hin zum Aufspielen von Updates.
    • Firmen können bei S/4HANA zwischen On-Premise, On-Premise managed by SAP, Private Cloud und Public Cloud wählen.
    • Die Entscheidung für S/4HANA On-Premise hängt von einer sorgfältigen Abwägung zwischen Kontrolle, Wartungsaufwand und Kosten ab.

    Was ist SAP S/4HANA On-Premise im Vergleich zu S/4HANA Cloud?

    Lange Zeit war die Sache klar: Für SAP R/3 und SAP ECC müssen Unternehmen lokale Ressourcen wie Server und Rechenzentren bereitstellen. Auch die Wartung und der Betrieb des SAP ERP liegen voll in der Hand des firmeneigenen IT-Personals.

    Mit SAP S/4HANA, der neuesten Generation an Enterprise Resource Planning, hat sich das grundlegend gewandelt. Unternehmen haben jetzt verschiedene Möglichkeiten, ihr ERP-System zu betreiben. Neben zwei On-Premise-Varianten gibt es nun auch SAP S/4HANA Cloud:

    Quelle: SAP Community

    SAP S/4HANA Cloud, Public Edition

    Stell dir vor, du loggst dich bei einem Online-Dienst wie deinem E-Mail-Account ein. Genauso funktioniert der Zugriff auf SAP S/4HANA in der Public Cloud.

    Alles läuft über das Internet. SAP kümmert sich in der S4 Cloud um die Infrastruktur und regelmäßige Updates.

    Die Einstiegshürden sind dadurch äußerst gering. Es braucht keine eigene IT-Abteilung und keinen eignen Server. Außerdem basiert das komplette Interface auf SAP Fiori, was die Benutzung vereinfacht.

    In diesem Kontext hat der IT-Konzern mit „GROW with SAP “ ein spezielles Angebot für kleine und mittelständische Customer ins Leben gerufen. Es umfasst ein sofort einsatzbereites ERP-System mit vorkonfigurierten Best Practices.

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    Tipp aus der Praxis

    Viele unserer Kunden möchten individuelle Anpassung an ihrem SAP S/4HANA vornehmen und Add-Ons von Drittanbietern einbinden. Häufig scheidet die Public Cloud deswegen bereits aus. So sind Anpassung nur über SAP Central Business Configuration möglich und nicht über IMG. Das schränkt die Möglichkeiten von Customizing-Projekten erheblich ein.

    SAP S/4HANA Cloud, Private Edition

    Diese Deployment-Option in der Private Cloud richtet sich vor allem an Bestandskunden, die den Umstieg von On-Premise in die Cloud meistern wollen. Anders als bei der Public Edition hat hier jedes Unternehmen eine eigene, isolierte IT-Umgebung.

    SAP stellt dafür die Cloud-Infrastruktur bereit, die auf einem Hyperscaler wie Microsoft Azure, AWS oder Google Cloud läuft.

    Dies Private Cloud bietet mehr Flexibilität, da es unter anderem über ABAP erweitert und individualisiert werden kann. Allerdings liegt auch mehr Verantwortung beim Kunden. So muss dieser die Software-Upgrades selbst verwalten.

    SAP S/4HANA On-Premise managed by SAP (HEC) oder Hyperscaler

    On-Premise heißt vor allem, dass anstelle einer Subscription license eine Produktlizenz für die Nutzung von S/4HANA gekauft wird. Dein Unternehmen entscheidet, wie das System genutzt und angepasst wird.

    Bei der On-Premise managed by SAP-Variante wird die Hardware im Rahmen von HANA Enterprise Cloud (HEC) oder einem Hyperscaler bereitgestellt. Darüber hinaus gibt es weitere Service-Angebote. Damit kannst du bis in einem bestimmten Rahmen selbst entscheiden, wie viel Verantwortung du abgeben möchtest.

    SAP S/4HANA On-Premise

    Bei dieser Deployment-Option ist häufig die Rede vom „echten“ On-Premise-Betrieb. Soll heißen, das gesamte ERP liegt beim Unternehmen – von der Hardware über das Netzwerk bis hin zu den Mitarbeitern, die das System warten und betreuen.

    SAP stellt auch hierfür quartalsweise Updates bereits. Ob und wann diese angewendet werden, liegt vollkommen in der Hand der unternehmenseigenen Administratoren.

    Durch die Einführung der unterschiedlichen Deployment-Optionen – Private Cloud, Public Cloud, On-Premise – ist die Auswahl der passenden Lösung zu einer strategischen Grundsatzfrage geworden. Die Entscheidung muss im Vorfeld jeder Einführung und Migration anhand der Business Needs und Business Processes gründlich durchdacht werden, da sie wichtige Implikationen für den weiteren Betrieb des ERP hat.

    Überblick: On-Premise vs. Cloud

    SAP S/4HANAOn-PremisePublic Cloud
    LizenzmodellTraditionelles LizenzmodellAbonnement
    Infrastruktur & WartungEigenes IT-Personal trägt die Verantwortung für Bereitstellung und WartungSAP stellt das System bereit und übernimmt die Systemwartung
    InnovationsgeschwindigkeitPlanung, Testing, Kontrolle, Upgrades und Änderung liegen in der vollen Verantwortung des UnternehmensS/4HANA-Cloud erhält automatisch 4 Upgrades im Jahr
    ImplementierungsansatzStark individuelle Anforderungen für GeschäftsprozesseVordefinierte Best-Practice-Konfiguration mit begrenzter Spezialisierung
    Funktionaler UmfangVoller ERP-Umfang, Integration mit SAP SuccessFactors Employee Central, SAP Fieldglass, SAP Hybris Marketing, SAP JAM und SAP Ariba NetworkSchlüsselszenarien, Embedded ERP-Szenarien, Integration mit SAP SuccessFactors Employee Central, SAP Fieldglass, SAP Hybris Marketing, SAP JAM und SAP Ariba Network
    EigenentwicklungenVollständige traditionelle ABAP-Erweiterbarkeit bis hin zu SystemmodifikationenIn-App-Erweiterbarkeit mit begrenztem ABAP; SAP HANA Cloud Platform (HCP) als Plattform für größere Erweiterungen

    Vorteile der On-Premise-Version

    Nach wie vor setzen viele Unternehmen bei S/4HANA auf eine On-Premise-Lösung. Nicht ohne Grund, denn sie bietet im Vergleich zu den anderen Bereitstellungsoptionen wichtige Vorteile:

    Volle Kontrolle über die IT-Infrastruktur

    Viele Unternehmen scheuen den Gang in die Cloud, da sie die Kontrolle über ihren wertvollsten Schatz – ihre Daten und damit ihr Wissen – behalten wollen. Das setzt den vollen Zugriff auf die IT-Infrastruktur voraus.

    Bei SAP S/4HANA On-Premise können eigene Sicherheitsstandards etabliert werden. Auch Upgrades und Wartungen lassen sich individuell durchführen. Es bleibt der IT-Abteilung überlassen, ob und wann diese aufgespielt und angewendet werden.

    Datensicherheit und Compliance

    In besonders regulierten Branchen wie dem Medizinbereich gibt es sehr strenge Datenschutzrichtlinien. Durch die lokale Datenspeicherung können Unternehmen Sicherheitsprotokolle selbst definieren und so Compliance-Vorschriften einhalten.

    Außerdem ist ein einzelnes Unternehmen weniger Cyberangriffen ausgesetzt als externe Server, auf denen viele Datensätze liegen.

    Umfangreiche Anpassungsmöglichkeiten

    Das gesamt ERP liegt in der Verantwortung der unternehmenseigenen IT-Abteilung. Sie kann vom Kern bis an die Ränder Änderungen am System vornehmen.

    Diese tiefgreifenden Customizing-Optionen erlauben die Implementierung unternehmensspezifischer Prozesse ohne Rücksprache mit dem Cloud-Anbieter.

    Keine Abhängigkeit vom Internet

    Die Lebensader von Cloud-Lösungen ist das Internet. Fällt es aus, kann auf das gesamte ERP nicht mehr zugegriffen werden.

    Diese Abhängigkeit besteht bei SAP S/4HANA On-Premise nicht. Selbst wenn alle Router, Sendemasten oder Kabelverbindungen ausfallen – das ERP ist durch die lokale Speicherung jederzeit erreichbar.

    Herausforderungen der lokalen Environment

    Ein aufgeschraubter Computer wird von drei Leuten repariert. Ein Smartphone mit geöffnetem SAP Help Center wird daneben gehalten.

    Natürlich gibt es bei SAP S/4HANA On-Premise auch Herausforderungen. Ohne diese bräuchte es sonst keine Cloud-Variante.

    Hohe initiale Investitionskosten

    Zu Beginn der Implementierung fallen hohe Kosten für Hardware und Lizenzen an. Das kann gerade für kleinere Unternehmen überfordernd sein.

    Eingeschränkte Skalierbarkeit

    Das Kostenargument zieht auch beim Thema Skalierbarkeit: Während bei der Cloud-Variante flexibel Optionen hinzugebucht werden können, sind bei Erweiterungen im On-Premises-Feld erhebliche Investitionen in Hardware und Software notwendig.

    Ressourcenintensive Wartung und Upgrades

    Unternehmen mit S/4HANA On-Premise brauchen ein Team an qualifizierten Mitarbeitern, die sich dediziert um die Wartung und die Anpassung des ERP kümmern. Geschieht dies nicht, sind Sicherheitslücken und Funktionsausfälle die Folge.

    Angesichts des grassierenden Fachkräftemangels kann es herausfordernd sein, diese qualifizierten IT-Mitarbeiter zu finden.

    Drei Wege, ein Ziel: Implementierung von SAP S/4HANA

    S/4HANA und die On-Premise-Variante kann abgeleitet von der SAP Activate Roadmap auf drei unterschiedliche Wege implementiert werden: Greenfield, Brownfield, Bluefield.

    Quelle: SAP Community

    Greenfield

    Stell dir vor, du hast eine grüne Wiese. Auf dieser darfst du nun bauen, was und wie du es möchtest.

    Ähnlich verhält es sich beim Greenfield-Ansatz im SAP-Umfeld. Das komplette System wird von Grund auf neu gedacht und aufgebaut. Dieser Ansatz ist besonders für Firmen geeignet, die sich neu für SAP entscheiden.  

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    Tipp aus der Praxis

    Bei der Greenfield-Methode ist es üblich, dass das vorherige ERP-System weiterläuft, bis SAP S 4/HANA vollständig aufgesetzt ist. Damit bleiben alle Daten erhalten, um beispielsweise Nachweispflichten gegenüber dem Wirtschaftsprüfer erfüllen zu können.

    Brownfield

    Das Gegenteil ist die Brownfield-Methode. Dabei werden möglichst alle ERP-Prozesse und Stammdaten in S 4/HANA überführt.

    Schau dir hierzu auch unser Video an: 

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    Mehr Informationen

    Bluefield

    Die goldene Mitte aus beiden Varianten bietet die Bluefield-Methode. Dabei werden zunächst alle Daten in das neue System übernommen.

    Im nächsten Schritt werden die Prozesse neu gedacht: Wie kann mit den vorhandenen Daten effektiv gearbeitet werden? Gibt es Möglichkeiten zur Vereinheitlichung und Optimierung?

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    Tipp aus der Praxis

    Bluefield ist ein weniger verbreiteter Ansatz. Laut SAP nutzen ihn gerade einmal 5 Prozent aller Customer. Wir konnten die Methode bereits mehrmals erfolgreich umsetzen. Im Vergleich zur Brownfield-Methode werden hierbei Altanwendungen nicht blind kopiert und Datenmüll eliminiert. Das kann große Effizienzsteigerungen mit sich bringen.

    On-Premise-Style vs. Cloud-Style: Was eignet sich für mein Unternehmen?

    Kommen wir zur Gretchen-Frage in Bezug auf die Einführung von SAP S/4HANA: zu dir oder zu mir? On-Premise oder Cloud?

    Klar ist: Die Codelinien sind identisch. Es geht immer um die gleiche Software.

    Einen ersten Ansatz für die Beantwortung der Frage bietet dieser Entscheidungsbaum:

    Der SAP On Premise Entscheidungsbaum

    Abseits davon sind für mich zwei wesentliche Punkte entscheidend:

    1. Individualisierbarkeit

    SAP vertritt den Anspruch, die passende Lösung unabhängig der Branche und der Unternehmensgröße bereitzustellen. Trotzdem gibt es immer wieder die Notwendigkeit, individuelle Anpassung am S/4HANA-System vorzunehmen.

    Das kann die Abbildung komplexer Fertigungsprozesse genauso betreffen wie die Entwicklung von Schnittstellen zu externen Systemen und die Anpassung von Genehmigungsprozessen.

    In der Cloud-Umgebung sind umfangreiche Änderungen und Erweiterungen nicht möglich. Braucht dein Unternehmen diese, fällt die Wahl fast zwangsläufig auf On-Premise.

    2. Kosten

    Je nach Unternehmensgröße und vorhandener IT-Infrastruktur können die initialen On-Premise-Kosten bei weit über 500.000 Euro liegen. Das betrifft vor allem den Kauf von Hardware und Lizenzen. Darüber hinaus entstehen laufende Ausgaben für das IT-Personal.

    Gerade kleine Unternehmen können diese Summen nicht immer stemmen. Gleichzeitig sollten die Betriebskosten auf einen langen Zeitraum angeschaut werden, da bei der Cloud-Edition monatliche Nutzungsgebühren anfallen.

    In manchen Fällen ist die On-Premise-Lösung bereits nach wenigen Jahren kosteneffizienter. Das gilt es im Einzelnen genau zu betrachten.

    Ein Blick in die Glaskugel: Die Zukunft von On-Premises

    Es ist kein Geheimnis, dass SAP am liebsten alle Customer auf die Cloud bekommen möchte. In diesem Zusammenhang ist auch zu verstehen, dass das Wartungsende von SAP ECC vermutlich auf Ende 2033 verschoben wird. Das sind sechs Jahre mehr als ursprünglich angedacht.

    Voraussetzung für diesen Aufschub ist allerdings, dass Kunden „Rise with SAP“ für die S/4 HANA Migration nutzen. Das Angebot zur vereinfachten Transformation setzt die Nutzung der Cloud voraus.

    Die Forderung der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG), in der wir Mitglied sind, fällt daher eindeutig aus: „Aus unserer Sicht ist es unabdingbar, dass SAP den Unternehmen in Bezug auf ihren Wechsel in die Cloud oder dem Wunsch, weiter auf On-Premises-Software von SAP zu setzen, mehr Flexibilität, Transparenz und Entscheidungsfreiheit zugesteht.“ 

    Zumal laut Umfragen über die Hälfte der SAP-Kunden bis 2027 ohne Cloud-ERP-Angebote von SAP planen. Zwischen ihnen und dem IT-Riesen herrscht ein Tauziehen. Ausgang: offen.

    Unabhängig davon können sich alle Nutzer auf einen garantierten Support für S/4HANA bis Ende 2040 verlassen. Das schafft zumindest für die nächsten Jahre Planungssicherheit.

    Fazit: Wann ist On-Premises die richtige Wahl?

    Eine Hand zieht Server Hardware aus einem Server Rack

    Für Unternehmen mit hohen Compliance-Anforderungen, strengen Datenschutzvorgaben oder dem Bedarf an umfangreichen individuellen Anpassungen kann On-Premise die bessere Wahl sein. S/4HANA Cloud-Lösungen bieten dagegen Vorteile bei Skalierbarkeit, schnellerer Implementation und geringeren Anfangsinvestitionen.

    Letztendlich gibt es keine universelle Antwort – die richtige Wahl hängt von der individuellen Situation des Unternehmens ab. Eine sorgfältige Evaluation der eigenen Bedürfnisse, verfügbaren Ressourcen und langfristigen Strategieziele sind der Schlüssel zur erfolgreichen Implementierung.

    FAQ

    Wie lange dauert die Implementierung von S/4HANA?

    Das hängt stark von der Unternehmensgröße und der Komplexität der Prozesse ab. Für KMUs ist ein Zeitrahmen von etwa 12 Monaten realistisch, in Großunternehmen kann schnell das Doppelte an Zeit notwendig sein. Wichtig ist in jedem Fall eine detaillierte Planung im Vorfeld und agile Projektmethoden.

    Ist eine System-Conversion auf eine Cloud-Version zu einem späteren Zeitpunkt möglich?

    Natürlich, das ist jederzeit möglich. Um den Umstieg zu erleichtern, gibt es „Rise with SAP“. Die Lösung bietet ein standardisiertes Framework unter anderem mit Aufgabenbeschreibungen und Quality Gates. Zudem gibt es integrierte Tools und Unterstützung seitens SAP.

    Kann SAP On-Premise in hybride Szenarien integriert werden?

    Ja, durch die Nutzung von Tools wie dem SAP Cloud Connector können On-Premise-Systeme mit Cloud-Lösungen verbunden werden. So lassen sich Daten und Prozesse nahtlos synchronisieren, beispielsweise für Echtzeitdatenanalysen oder flexible Skalierungen.