SAP verspricht mit S/4HANA Cloud eine kleine Revolution: ein maßgeschneidertes ERP-System in nur 30 Tagen – und das zum halben Preis.
Trotzdem wechseln nicht alle Unternehmen im Zuge ihrer Transformation auf die Cloud ERP-Lösung. Im Gegenteil: Viele Firmen setzen weiterhin auf On-Premise. Warum?Zeit, sich die Vor- und Nachteile von S/4HANA Cloud anzuschauen und die wichtigsten Fragen zu klären.
Das Wichtigste auf einen Blick
- SAP S/4HANA Cloud wird in der Public Edition und in der Private Edition bereitgestellt.
- Die Public Cloud Lösung ist das umfassendste Software-as-a-Service (SaaS)-Angebot von SAP, während die S/4HANA Cloud, Public Edition mehr Flexibilität bei einem Plus an Verantwortung bietet.
- SAP setzt in seiner Strategie auf die Public Cloud. Unternehmen sollten sich davon nicht irritieren lassen: Eine Wartungszusage bis 2040 besteht für alle Bereitstellungsoptionen.
SAP S/4HANA Cloud – was steckt dahinter?
Früher war die Einführung eines SAP ERPs ein Thema für große Unternehmen mit vollem Geldbeutel: Neben der Anschaffung einer nicht ganz preiswerten Softwarelizenz für SAP R/3 und SAP ECC brauchte es einen eigenen Hosting-Server und spezialisiertes IT-Personal.
Mit SAP S/4HANA hat sich das geändert. Zwar gibt es wie früher eine klassische On-Premise-Lösung. Aber besonders für KMUs bietet SAP nun eine interessante Alternative: Cloud ERP. Die Anfangsinvestitionen sind bei der Variante wesentlich geringer, die Integration geht schneller und der eigene Maintenance-Aufwand wird weniger.
Drei Technologien haben den Weg von Cloud ERP geebnet:
- Cloud-Infrastruktur
Eine Cloud-Umgebung ermöglicht es, eine IT-Infrastruktur flexibel und skalierbar über das Internet zu nutzen, ohne eigene physische Kapazitäten aufbauen und warten zu müssen. Organisationen können dadurch ihre IT-Kosten optimieren, ihre Effizienz steigern und sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. - In-Memory-Datenbank SAP HANA
SAP HANA (High-performance ANalytic Appliance) ist der Leim, der in S/4HANA alles zusammenhält. Die In-Memory-Datenbank ermöglicht die Verarbeitung von Echtzeitdaten. Zugleich lässt sich der Datenbedarf um bis zu 50 Prozent reduzieren. - SAP Business Technology Platform (BTP)
SAP BTP ist eine umfassende Plattform-as-a-Service (PaaS)-Lösung. Sie erlaubt die Verbindung von SAP- und Non-SAP-Anwendungen und stellt Best Practices für die individuelle Anpassung des ERP bereit. Auch beim Thema Sicherheit und Compliance ist die Business Technology Platform unverzichtbar.
Aufbauend auf diesen Innovationen bietet SAP zwei unterschiedliche Varianten der Cloud-Lösung an. Deren Unterschiede liegen hauptsächlich darin, wie viel ein Unternehmen selbst machen möchte und wie viel SAP übernehmen soll.
SAP S/4HANA Cloud, Public Edition
SAP S/4HANA Cloud, Public Edition wird als Multi-Tenant Edition (MTE) auf den Rechenzentren von SAP bereitgestellt. Das heißt, ERP-Anwender teilen sich die Infrastruktur.
Einige unserer Kunden treiben bei der Public Cloud Sicherheitsbedenken um. Verständlich, die Rechenzentren von SAP sind ein beliebtes Ziel für Angriffe. Allerdings sind mir keine sicherheitsrelevanten Vorfälle bekannt. Die Vorkehrungen von SAP wie das Zero-Trust-Modell, Sicherheitsaudits und andere proaktive Schutzmaßnahmen greifen. SAP S/4HANA Cloud, Public Edition ist ein umfangreiches Software-as-a-Service-Angebot. SAP kümmert sich um Hosting, Wartung, Datenschutz und Backups. Viermal im Jahr gibt es automatisch ein Update.
SAP S/4HANA Cloud, Private Edition
Bei SAP S/4HANA Cloud, Private Edition hat jedes Unternehmen eine eigene, isolierte IT-Umgebung. Es wird also als Single-Tenant betrieben.
Auch in dieser Variante kann das SAP-eigene Rechenzentrum zum Einsatz kommen. Möglich ist daneben eine Zusammenarbeit mit Hyperscalern wie Amazon Web Services (AWS) oder Microsoft Azure.
Diese Version bietet mehr Flexibilität als die Public Edition. So kann sie über ABAP erweitert und individualisiert werden. Zugleich bietet Private Clouds mehr Kontrolle über Sicherheit und Compliance. Insofern liegt auch mehr Verantwortung beim Unternehmen, da zum Beispiel Software-Upgrades selbst verwaltet werden müssen.
Die Deployment-Optionen im Überblick
Egal ob Public Cloud, Private Edition oder On-Premise – unter der Haube ist es immer dasselbe SAP S/4HANA. Nur der Betrieb unterscheidet sich je nach Deployment–Option.
SAP S/4HANA On-Premise | SAP S/4HANA Cloud, Private Edition | SAP S/4HANA Cloud, Public Edition | |
Bereitstellung | Auf firmeneigenen Servern | Isolierte IT-Umgebung über Hyperscaler | Von SAP gehostete Public Cloud |
Kontrolle | Volle Kontrolle und Eigentum durch das Unternehmen | Höhere Abhängigkeit von Cloud-Anbieter | Höhere Abhängigkeit von SAP |
Anpassungen | Hochgradig anpassbar | Signifikante Anpassungsmöglichkeiten | Minimale Anpassungen |
Skalierbarkeit | Begrenzte Skalierbarkeit, da Anpassung an Infrastruktur notwendig | Schnell skalierbar | Schnell skalierbar |
Kostenmodell | Hohe Anfangsinvestitionen (CapEx) | Abonnement (OpEx) | Abonnement (OpEx) |
Sicherheit und Compliance | Vom Unternehmen verwaltet, hohe Kontrolle | Hohe Kontrolle, geeignet für Compliance-Anforderungen | Von SAP verwaltet, Compliance gewährleistet |
Maintenance | Vom Unternehmen verwaltet | Von SAP mit Mitwirkung des Unternehmens verwaltet | Vollständig von SAP verwaltet |
Integration | Umfassende Integrationsmöglichkeiten | Gute Integrationsmöglichkeiten | Standardisierte Integrationsoptionen |
Innovationen und Updates | Manuelle Updates, langsamere Innovation | Technische Updates durch SAP, flexibel anpassbar | Automatische Updates, schnelle Innovation |
Implementierung | Längere Implementierungszeit | Moderate Implementierungszeit | Kurze Implementierungszeit |
Was sind die Vorteile von SAP S/4HANA Cloud?
SAP konnte seine Jahresziele 2024 dank des Cloud-Geschäfts übertreffen. Immer mehr Unternehmen setzen also auf die Private Cloud oder Public Edition – nicht ohne Grund:
Schnelle Implementierung
Ich hab es bereits oben angesprochen: SAP spricht von maximal 30 Tagen, bis das Cloud ERP einsatzbereit ist. Das ist blitzschnell.
Wobei wir hier von einem Greenfield-Ansatz ausgehen. Soll heißen, bei der SAP S/4HANA-Transformation wird alles neu aufgesetzt. Es werden keine Daten und Prozesse von einem alten ERP übernommen.
Schnelle Skalierbarkeit
Dein Unternehmen wächst, kauft Bereiche hinzu und führt neue Prozesse ein – bei einem On-Premise-ERP müsstest du nun auch deine Hardware-Ausstattung und den Personalstamm in der IT erweitern. Das kann dauern und gerade zu Beginn viel Geld kosten.
Bei der Cloud-Version buchst du flexibel neue Optionen per Klick hinzu. Das geht schnell und reduziert die Anfangsinvestitionen.
Schnelle Updates
SAP stellt jedes Quartal Updates für S/4HANA bereit. Bei Cloud ERP Public werden diese automatisch aufgespielt. Unternehmen müssen sich um nichts kümmern.
Das stellt sicher, dass das Enterprise Resource Planning auf dem aktuellen Stand ist und die neuesten Funktionen in die Unternehmensprozesse einfließen können. Zeitgleich müssen sich Unternehmen keinen Kopf um Sicherheitsrisiken machen – diese werden ohne eigenes Zutun verhindert.
Was sind die Nachteile von SAP S/4HANA Cloud?
Wo Licht ist, gibt es auch Schatten. In meinen Augen gibt es drei wesentliche Herausforderungen bei SAP S/4HANA Cloud:
Geringere Flexibilität
Der aus meiner Sicht gravierendste Nachteil ist die geringere Flexibilität. Vor allem in der Public-Variante müssen Unternehmen ihre Prozesse an den SAP-Standard anpassen und nicht umgekehrt.
Außerdem steuert SAP den Zeitplan für System-Updates und -Upgrades. Das kann zu unerwünschten Änderungen oder Unterbrechungen im Geschäftsprozess führen.
Eingeschränkte Kontrolle
Hand aufs Herz: Vielen Unternehmen ist mulmig bei dem Gedanken, ihre wertvollen Daten extern zu speichern. Verständlich!
In dem Moment, wo alle Dokumente und Prozesse auf einer Cloud liegen, wird das Thema Datenschutz und Datensicherheit in externe Hände gelegt. Ich muss mir also sicher sein können, dass der Anbieter mit dem Vertrauen umzugehen weiß.
Abhängigkeit vom Internet
Cloud-Lösungen leben davon, dass die Datenabfrage über das Internet erfolgt. Fällt es aus, ist das gesamte ERP down. Das kann teuer werden.
Welche Unternehmen sollten auf SAP S/4HANA Cloud setzen?
Die niedrigen Einstiegshürden sollten nicht dazu verleiten, vorschnell auf eine Cloud-Lösung zu setzen. Vielmehr müssen im Vorfeld der Entscheidung Antworten auf folgende Fragen gefunden werden:
- Gibt es bereits ein SAP-System, das migriert werden soll?
Die Public Edition kommt nur bei einem Greenfield-Ansatz in Frage. Das ERP-System wird dabei mit allen Prozessen und Daten neu aufgesetzt. SAP hat dafür ein eigenes Programm mit bewährten Methoden und Tools aufgesetzt: Grow with SAP.
Der Brownfield-Ansatz erfordert dagegen technische Anpassungen, welche über die Private Cloud abgedeckt werden können. Auch hierfür gibt es mit Rise with SAP zentrale Unterstützung bei der Umstellung. - Ist das Unternehmen Cloud-Ready?
Im Privaten nutzen wir alle Cloud-Lösungen – sei es für Handyfotos, E-Mails oder unsere Steuererklärung. Im Job ist das noch nicht unbedingt der Fall.
Deswegen braucht es in manchen Unternehmen einen Mentalitätswandel, um auf SAP S/4HANA Cloud wechseln zu können. So muss die Chefetage bereit sein, Verantwortung für den wertvollen Datenschatz nach extern abzugeben. Auch Mitarbeitende müssen sich an andere Eingabeprozesse und Funktionsweisen gewöhnen. - Wie hoch ist der Bedarf an individuellen Anpassungen?
Gerade bei Kunden, die neu auf eine SAP ERP Lösung umstellen, ist die Beantwortung dieser Frage nicht ganz leicht. Es gibt unzählige Standardprozesse in S/4HANA. Gleichzeitig decken sie natürlich nicht jeden individuellen Fall ab.
Hier braucht es erfahrene SAP-Berater, die Unternehmensprozesse auf Standard Best Practices übertragen und gemeinsam die passende Lösung finden.
- Wie wichtig ist Skalierbarkeit
Beim Thema Schnelligkeit ist SAP S/4HANA Cloud unschlagbar. Wenn also dein Unternehmen schnelles Wachstum erreichen möchte, sollte es auf die Private oder Public Edition setzen.
Wie läuft die Implementierung ab?
Der Implementierungsprozess für S/4HANA Cloud folgt dem SAP Activate Framework. Dieses ist in sechs Phasen unterteilt: Discover, Prepare, Explore, Realize, Deploy und Run.
Quelle: SAP LeanIX
1. Phase: Discover
Im ersten Schritt werden die Anforderungen und Wünsche des Unternehmens definiert. Daraus ergibt sich, welche Deployment-Methode am besten passt.
2. Phase: Prepare
Jetzt wird das Projekt initiiert und der Projektplan finalisiert. Systeme werden eingerichtet, Governance-Prozesse festgelegt und Zugriffsrechte vergeben.
3. Phase: Explore
Diese Phase ist entscheidend für den Projekterfolg. Gemeinsam mit dem Kunden werden Standardprozesse festgelegt und geschaut, wo es individuelle Anpassungen braucht.
4. Phase: Realize
Nun wird’s konkret: Die Geschäfts- und Systemumgebung wird aufgebaut, entwickelt und getestet. Identifizierte Anpassungen werden umgesetzt und notwendige Erweiterungen implementiert. Die Datenmigration beginnt und umfassende Systemtests werden durchgeführt.
5. Phase: Deploy
Wochenendarbeit! Das System wird ausgerollt und startklar gemacht – meist wenn alle Mitarbeitenden zu Hause sind.
6. Phase: Run
Nun muss sich das ERP in der Praxis beweisen – inklusive Fehlerkorrekturen, Prozessanpassungen, Updates und Upgrades.
Wer mehr zur Implementierung wissen möchte, findet hier alle Informationen dazu: SAP Learning.
Wie sieht die Zukunft der Cloud-Edition aus?
Gerade dreht sich vieles um KI-Funktionen. Bei SAP bleibt die Public Cloud trotzdem im Zentrum der Bemühungen – aus gutem Grund: Das Unternehmen kann darüber nicht nur die eigene Software, sondern auch Kapazitäten im Rechenzentrum und weitere Serviceleistungen verkaufen. Zudem lassen sich über S/4HANA Cloud neue Funktionen und Verbesserungen schneller und effizienter einführen. Das spart Kosten.
Das „Cloud first“-Prinzip ist für SAP also durchaus sinnvoll. Für Kunden sieht das oft anders aus: So bieten die Private Edition und On-Premise-Variante flexiblere Anpassungsmöglichkeiten. Außerdem kann die On-Premise-Lösung bereits nach wenigen Jahren kosteneffizienter sein, da keine laufenden Gebühren anfallen.
Um die Nachteile bei der Nutzung auszugleichen, hat SAP jüngst die Business Suite inhaltlich neu ausgerichtet. Kunden, die sich für mehrere SAP-Produkte entscheiden, sollen Rabatte erhalten. Wie genau das Ganze ausgestaltet wird und ob es wirklich einen finanziellen Mehrwert bringt, bleibt abzuwarten. Zu begrüßen ist die Initiative allemal.
Fazit
Unternehmen sollten sich nicht zu sehr von den SAP-Plänen beeinflussen lassen. Wichtiger sind die eigenen Ziele und Prozesse. Sie entscheiden, auf welche Technologien die Wahl fällt. Diese können durchaus für die Public Cloud sprechen – oder eben für die On-Premise-Variante.
Die Public Cloud bietet ein standardisiertes ERP, die Private Edition erlaubt individuelle Änderungen. Die größte Flexibilität bietet das Hosting auf eigenen Servern, wo Änderungen bis in den Systemkern möglich sind.
Gleichzeitig bedeutet ein Plus an Flexibilität auch mehr Verantwortung für die eigene IT-Landschaft auf Unternehmensseite. Eine sorgfältige Abwägung von Ressourcen und Nutzen ist daher unerlässlich.
Die gute Nachricht zum Schluss: Egal, welche Option es am Ende wird – für alle drei Varianten besteht eine Wartungszusage seitens SAP bis 2040. Das immerhin schafft Planungssicherheit.